Wenn die spoga und gafa in den Kölner Messehallen auf die Zielgerade geht, ist für die Führungskräfte der grünen Branche noch nicht Schluss: Auch in diesem Jahr lud der BHB zu seinem GardenSummit im Congress Centrum Nord ein, und über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten dem Ruf zu der bewährten Mischung aus kompaktem Learning und Networking. Und vernahmen die klare Botschaft: Im Gartenhandel steckt weiterhin enormes Potenzial.

BHB-GardenSummit in der Messe Köln (Foto:BHB 2018)
Die Keynote hatte diesmal René Haßfeld, Sprecher der GF von toom Baumarkt und BHB-Finanzvorstand übernommen. Er betonte die emotionale Strahlkraft der grünen Sortimente innerhalb des beständigen Wandels, die auch einen beachtlichen Umsatzbestandteil ausmachen. Der Klimawandel erfordert enorme Veränderungen in den Gärten – der notwendige Umbau bietet der Branche gerade deswegen auch Chancen. Haßfeld mahnte deshalb, Innovationen voranzutreiben. Weiterhin werden die Kunden anspruchsvoller – die Menschen legen viel Wert auf ein nachhaltiges Handeln auf der Retail- wie auf der Lieferantenseite, das sich aber nicht unbedingt im Preis niederschlagen soll.
In Richtung Politik forderte Haßfeld aber auch einen Verzicht auf den Bürokratisierungswahn – der Standortnachteil sei hierzulande gegenüber anderen Kontinenten deutlich spürbar und behindere das Geschäft stark.
Achterbahnfahrt mit Aufwärtstrend
Das veränderte Kaufverhalten der Menschen hat die Branche in den letzten Jahren innerhalb der zahlreichen Krisenszenarien deutlich negativ zu spüren bekommen. Worin die Herausforderungen für die Zukunft liegen und warum ein starkes Potenzial für den Handel in den Effizienzgewinnen liegt, hatte Sascha Kehrstephan analysiert. Als Director Partnership bei GfK/Nielsen IQ gab er einen dezidierten Einblick in die derzeitige Entwicklung des Marktes. „Eine Achterbahnfahrt“ nannte er die schwankenden Bewegungen der letzten Jahre, und da pendelt sich auch der bisherige Jahreslauf 2024 nicht wirklich ein. Weiterhin haben Krieg und Krisen, Preissteigerungen etc. noch negativen Einfluss – das Konsumklima bleibt gedämpft. Aber Faktoren wie Einkommenserwartung entwickeln sich gut – Verbraucher glauben angesichts sinkender Inflation und besserer Gehälter an mehr verfügbares Netto. Von Januar bis April entwickelte sich die DIY-Branche aktuell besonders gut: Baumärkte legen +4,9% zu, Gartencenter gar um 17,15, lediglich der Baustoffhandel krankt weiter: Hier ergibt der Vergleich zum Vorjahr -11,6%.
Besonders gut wächst generell der Bereich Gardening, bis in Allzeithochs hinein. Besonders gefragte Sortimente sind Gartenchemie (+30%), Lebendgrün und Gartenausstattung. Allerdings bleibt die Anschaffungsneigung volatil: Kunden kaufen sehr überlegt und meist schon gut informiert. 45% der Konsumenten haben allerdings schon Käufe aufgeschoben oder auf besser Angebotspreise gewartet. Aber auch hier gute Nachricht: An Baumarktartikeln wird nur selten gespart. Junge Kunden – als Generation Z oft kritisiert – haben besondere Anforderungen an ihren Einkauf im Baumarkt – von digitalen Kundenkarten Warenbestandscheck bis Click+Collect. Und an Innovationen, wie sich deutlich zeigt: Die neue Generation der Mähroboter ohne Begrenzungskabel konnte auch im schwierigen Markt einen Umsatzanstieg um 45 Prozent erzielen, auch aufgrund der weitaus höheren UVP.
Trends spielen bei der Erschaffung echter Einkaufserlebnisse eine immer stärkere Rolle. Deshalb setzt die Erzeugergenossenschaft Landgard auf ein selbst entwickeltes „Trendbook“, mit dessen Hilfe die einzelnen Standorte angepasste Verkaufskonzepte entwickeln können. Anhand von fünf Trendwelten (jeweils in den Segmenten Pflanzen, Schnittblumen, Formen und Materialien) zeigte Landgard-Marketingleiter Michael Hermes die Möglichkeiten dieses modularen Systems. So kann z.B. der Einkauf anhand übergeordneter Trendentwicklung wichtige Erkenntnisse gewinnen. Aber wie definiert man (Mega-)Trends? Am Anfang steht hier ein Panel ausgewählter Experten, auch über den Tellerrand „Garten“ hinaus ausgewählt. Diese Trends stehen 2024 im Book: ‚Biophilic Boost‘ abgeleitet vom Megatrend Urbanisierung, bringt Pflanzen zurück in ansonsten sehr reduziere Wohnbereiche. ‚Beloved Fluffiness“ lehnt sich an den Cooconing-Trend an, ‚Ethno Expressions‘ lässt die Welt temporär zuhause einziehen. ‚What’s poppin‘ setzt auf auffällige Kontraste und Akzente. Der 5. Trend – ‚Solid Essentials’ beruhigt das Innere – wichtig in Krisenzeiten. Wichtig ist natürlich die Durchdringung der Verbraucher mit den Trendentwicklung – deshalb spielen alle Kanäle der Kommunikation eine besondere Rolle. So konnte Landgard mit der Ausstattung der Veranstaltung zum Deutschen Filmpreis aufmerksamkeitsstrake Akzente setzen. Kooperationspartner für die Neuauflage sind bei der Landgard übriges hochwillkommen.
Optimismus hilft der Marke
A propos Marketing – auch die werbende Variante und die Markenpflege muss sich in herausforderndes Situationen stetig verändern. Wie man eine Marke innerhalb dieses Spannungsfeldes resilient macht, darüber berichtete der Hamburger Marktingexperte Jan Hatje. Als sinnvolle Maßnahmen, die eigene Marke stressresistent zu machen, sieht er u.a. die Konzentration auf Bestandskunden. Hohe Wertschätzung dieser Zielgruppe steigert hier die Bindung deutlich. Natürlich ist und bleibt auch bei der Resilienz ein aktuelles und optimiertes Angebot essentiell. Ganz wichtig: Der Funke muss überspringen! Hier haben die Mitarbeitenden die Schlüsselrolle inne, um mit Optimismus die Marke zu stärken.
Auch Jürgen Hanke, CEO des Markforschungsinstitutes Marketmedia, nahm sich den Gartenmarkt explizit von der Datenseite unter die Lupe. Seine Organisation hatte in einem sog. Sales Performance-Report u.a. Umsatzentwicklungen für 16 Produktgruppen aus den Segmenten Garden-Living, Gardening und Lebendgrün über einen Zeitraum von 10 Jahren aufgezeigt. Bis 2019 lief alles recht ruhig: Etwa +1% im Jahresdurchschnitt war normales Geschäft. Der Heimwerker- und Verschönerungsboom in der Coronaphase ermöglichte ein erfreuliches Plus, dass sich durch die Polykrise 2023 naturgemäß wieder relativierte. Bei den Vertriebswegen liegen die Baumärkte mit angeschlossenen GC mit über 32 % Anteil am Markt erfreulich vorn. Hanke machte ein ebenso erfreuliches Trend-Szenario auf, dass nicht exakte Prognose sein soll, aber eine auf Erfahrungswerten und situativen Betrachtungen beruhende Einschätzung. Danach sieht er bis 2033 eine Umsatzsteigerung von ca. 8% als realistisch an.
Natürlich bleiben viele volatile Faktoren in der Rahmenebene zu berücksichtigen – vom ‚gewollten‘ Bedarf der Kunden über finanzielle Spielräume bis zur Entwicklung z.B. der Energiepreise. Gemittelt wird dieser Wert aus der Gegenüberstellung von Best- und Worstcaseszenarien.
Viele Blicke richten sich derzeit darauf, wie sich die Generation Z in die Welt einfügt – oft beleuchtet von der Seite als Mitarbeiter, aber genauso wichtig wird das Verhalten der nachwachsenden Kundengenerationen sein. Das ist das große Thema von Hartwin Maas vom Institut für Generationenforschung. Aus einer veränderten Lebenswelt der Gen Z leiten sich auch und gerade für den Handel gewisse Erkenntnisse ab, will man die Jüngeren an die Unternehmen heranführen und natürlich möglichst auch binden. Kritik am veränderten Verhalten der Jugend hat es seit vielen Generationen gegeben – neu ist der Ansatz, dass man die Generation immer mehr analysiert und zu verstehen versucht.
Stimmt denn das Attribut der „Generation arbeitsscheu“? Ein entscheidender Unterschied besteht zwischen angeblichen Forderungen der Youngster und dem, was den Nachwuchskräften quasi vorgedacht wird. Interessante Erkenntnis einer neuen Studie: Merkmale wie kürzere Arbeitszeiten, angenehmes Arbeitsklima usw. sind nicht an die GenZ gebunden, sondern treiben viele Arbeitende an und sind insofern eher Spiegelbild der Gesellschaft. Welche Rolle dabei die Cyberwelt spielt, ist ebenfalls interessant: Digitale Skills und Gewohnheiten sind in der GenZ weit stärker trainiert als analoge – auch dies stark befeuert durch Corona. Das schafft andere Vorbilder, die oft als Influencer im Social Network unterwegs sind und dort andere Wertigkeit schafft. Starken Einfluss auf Denken und Handeln der GenZ hat der gesellschaftliche Wandel – von materialistischer Übersättigung, Überbehütung bis hin zur veränderten Eltern-Kind-Beziehung mit einer sich immer jünger fühlenden Elterngeneration, die die „Augenhöhe“ verändert. „Die junge Generation möchte Freiheit – und Struktur“, so Maas, der dies ausdrücklich nicht als Widerspruch interpretiert.
Moderator und BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst verabschiedete die Gäste mit einem hoffnungsvollen Fazit: Das Motto „Responsible Gardens“ werde und müsse sich um „Responsible People“ erweitern, eine große und gesellschaftliche Aufgabe die alle Beteiligten auch des heutigen Summits verbinde.
Ein nicht ganz unwichtiger Teil des BHB-GardenSummit gehört dem Netzwerken: Bei einem gemütlichen Barbecue – sponsored bei Otto-Gourmet und CharBroil – lassen sich die Erkenntnisse aus dem GardenSummit bestens besprechen und Meinungen austauschen.